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Bern: Offene Kirchentüre für alle und fast alles

In der offenen Kirche Heiliggeist in Bern gehen Tausende von Menschen ein und aus: Flüchtlinge, Konzertbesucherinnen, Gläubige, Randständige, Touristen. Eine bunte Vielfalt, die fordert und bereichert.

Mächtig steht sie da, die Heiliggeistkirche, mitten in der Stadt Bern. Massen von Menschen wuseln täglich darum herum: auf dem Bahnhofplatz, unter dem «Baldachin», entlang der Einkaufsstrasse. Doch viele wissen nicht, was für eine Art Kirche hier seit 20?Jahren gelebt wird: nämlich eine Kirche für alle. Im letzten Jahr stieg die Besucherzahl auf rund 68 000 Menschen an. Gleich beim Eingang im kühlen Innenraum gibts in der Cafeteria kostenlos Getränke und Gebäck. Ein Treffpunkt für Menschen, die viel Zeit und wenig Geld haben. «Bei uns kommen Einsame vorbei, solche ohne festes Zuhause, Asylsuchende sowie Menschen mit psychischen Schwierigkeiten oder Suchtproblemen.» Barbara Felder kennt ihre Stammgäste. Seit acht Jahren ist sie im Team des Präsenzdienstes, der jeweils von Dienstag bis Freitag mit zwei Mitarbeitenden vor Ort ist. «Die meisten Gäste trinken hier mehrmals am Tag ihren Kaffee», erzählt die ehemalige Spitalangestellte. Einige würden auch mal um Hilfe beim Ausfüllen eines Formulars oder bei den Hausaufgaben ihres Deutschkurses fragen. «Und natürlich kommt es auch vor, dass sie von ihrem Leben und ihren Problemen erzählen», sagt Felder.

Hier wird nicht gebrüllt

Eine Frau im mittleren Alter sitzt an einem der Kaffeetischchen. Die Schweizerin hält sich oft hier auf und lässt andere teilhaben an ihren Schwierigkeiten mit der Welt. Der dunkelhäutige Jugendliche ihr gegenüber hört etwas ratlos zu und wendet sich schliesslich um. Er versucht, sich einzubringen in die lautstarke Diskus-sion zweier Männer. Barbara Felder sammelt Tassen ein und serviert -einer jungen Frau mit grossflächig geschminkten Lip-?pen einen Orangensaft. Mit einer Prise Humor mahnt sie die Herren ?zur Ruhe. «Auch wenn hier alles nette und anständige Menschen sind, muss man sie dennoch ab und zu ?darauf aufmerksam machen, dass in einer Kirche nicht rumgebrüllt wird», meint Felder. «Offene Kirche» heisst das Konzept: Hier sind Randständige ebenso willkommen wie Besucherinnen und Besucher der Orgelkonzerte, Diskussionsrunden, Ausstellungen, Gottesdienste und Festivals. Auch für Ratsuchende gibts ein Angebot: «ganz Ohr» bietet die Möglichkeit, mit einer theologisch oder psychologisch ausgebildeten Person zu sprechen. «Zu uns kommen Menschen, die etwas beschäftigt und darüber reden wollen», berichtet der Theologe Theo Schaad, -einer der Freiwilligen, die hier zuhören. «Junge, Betagte, Kirchenferne, Gläubige, Randständige können uns ihre Geschichte erzählen. Wir bieten aber weder Beratung noch Therapie an, wir hören einfach zu und versuchen, den Blick auch mal vom Problem wegzulenken.»

Begegnung und Besinnung

Annelise Willen ist Projektleiterin der offenen kirche bern. Sie betont, Randständige hätten immer schon zur Berner Heiliggeistkirche gehört. «1228 wurde sie als Spitalkirche für Pilger, Bettler und Kranke gegründet. Seit 1999 steht sie unter der Woche als Citykirche offen und ist gleichzeitig Ort der Kirchgemeinde Heiliggeist.» Manchmal sei die Kirche platschvoll, beschreibt Willen. «Am Wochenende mit der Museumsnacht und dem Festival der Kulturen Mitte März hatten wir einen Besucherrekord von rund zehntausend Menschen.» Manchmal sässen draussen auf den Treppenstufen Jugendliche, Touristen und Randständige friedlich nebeneinander. «Natürlich gibt das auch Lärm, Abfall oder Konflikte. Doch in der Heiliggeistkirche ist eben vieles möglich: Begegnung und Besinnung.»

Quelle: reformiert.info, 1. Mai 2019, Katharina Kilchenmann